Hanns-Eisler-Revue im Berliner Ensemble
Brigitte Udke„Es sind die alten Weisen, die neu in uns erstehn …“ – mit diesem Lied (Text von Johannes R. Becher) endet die Vorstellung mit Liedern, Balladen, Chören nach Texten von Brecht, Tucholsky, Mehring und anderen. Eine gelungene Idee von Manfred Karge, der diese Aufführung inszeniert hat. (Premiere bereits am 15. 1. 2011) Er trifft damit die Empfindungen des Publikums, und es sind nicht wenige Besucher, die das eine oder andere Lied im Stillen mitsummen. Man kennt sie alle und doch hört man sie wieder neu. Denn das eine oder andere hat sich eingeprägt aus den Interpretationen von Ernst Busch, Gisela May, Hilmar Thate, Katharina Thalbach (um nur einige zu nennen).
Hanns Eisler, dessen Kunst nicht vom Kampf der Arbeiterklasse zu trennen ist, hat unvergängliche Lieder geschrieben, die gerade auch heute (noch) aufrütteln. Er hat Vieles selbst durchlebt – den Kampf der Arbeiter gegen den Kappputsch, gegen den aufkommenden Faschismus zu Beginn der 1930er Jahre, die Zeit der Emigration und die Hoffnung auf ein neues Deutschland nach 1945. Es ist schon sehr bewegend, wenn sich Eisler (eindrucksvoll dargestellt von Roman Kaminski) ans Klavier setzt und anhebt zu singen: „Heimat, meine Trauer, Land im Dämmerschein …“ Eisler selbst hat über die Zeit in der Emigration gesagt: „Die größte Inspiration in der Emigration ist nicht nur unsere Einsicht in die Klassenverhältnisse, unser echter und – ich hoffe – anständiger Kampf gegen den Faschismus, für den Sozialismus, sondern die quälende – als Marxist muss man sagen die Realität – die quälende Langeweile eines Emigranten, der zwölf Stunden nur sich betrachten kann. Das ist produktive Kraft.“
Und wer sich fragt, was kann eine Aufführung der Lieder von Eisler (und natürlich mit Texten von Brecht) dem Hörer heute geben, der bekommt vom Ensemble dieser Revue eindeutige Antworten. Beispielsweise mit der Interpretation des Solidaritätsliedes, von Eisler nach dem Text von Brecht 1931 für den Film „Kuhle Wampe“ komponiert: das vom Chor beim Vortrag demonstrativ voran getragene rote Transparent mit der Aufschrift „Solidarität“ sinkt am Ende zu Boden und die Schauspieler verlassen mit hängenden Köpfen resignierend die Bühne. Was für ein realistisches, aufrüttelndes Bild in dieser, unserer heutigen Zeit!
Einer der Höhepunkte sind für mich die Lieder, die vom Band im Originalton von Eisler vorgetragen werden. An vorderster Stelle das Kinderlied: „Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand. Dass ein gutes Deutschland blühe, wie ein andres gutes Land.“ Der Text von Brecht und die Komposition entstanden 1950 als Gegenstück zur Nationalhymne, wurden aber nicht verwendet. 1990 setzten sich die Bürgerbewegung in Ostdeutschland und fortschrittliche Medien für diesen Text als Nationalhymne des wiedervereinigten Deutschlands ein. Leider – wie wir wissen – auch diesmal ohne Erfolg.
Meine Empfehlung: Unbedingt hingehen!
Dezember 2011