Hannah Arendt

Nachdenken über Hannah Arendt   (14. 10. 1906 – 4. 12. 1975)

Gerwin Udke


Der Streit um H. A. – aktueller denn je


Wenn man in diesen vielfach krisengeschüttelten Zeiten gelegentlich auch auf Argumente von Hannah Arendt verweist, kann es passieren, dass einem entgegnet wird: „Das hilft doch heute nicht weiter!“ „Das waren doch ganz andere Zeiten!“ oder auch: „Das war doch keine marxistische Philosophin!“
Wer genauer hinschaut kann jedoch unschwer erkennen, wie angeraten es sein kann, angesichts heute sich auftürmender Probleme unter anderem auch bei H. A. nachzuschlagen, sich mit ihr sowie mit ihren Opponenten auseinanderzusetzen. Es ist schon erstaunlich, mit welchem Weitblick die jüdisch-deutsch-amerikanische Theoretikerin H. A. vor Jahrzehnten zu den Problemen ihrer Zeit Stellung bezogen hat – wie umstritten manches im Einzelnen auch immer sein mag. Und, wie brandaktuell ihre Schriften in mancherlei Hinsicht heute sind. 

H. A. durchlebte schicksalhaft die erschreckenden Wirklichkeiten ihrer Zeit, dieses 
20. Jahrhunderts, und sie hat den Versuch unternommen, das Durchlittene theoretisch zu verarbeiten. Arendt hat in den 1950er und 60er Jahren die persönlich erlittenen „Grunderfahrungen dieses Jahrhunderts“ zur Sprache gebracht. Sie trug mit ihren intellektuellen Thesen und Schlüssen Euphorie in die öffentlichen philosophischen Debatten ihrer Zeit. Andererseits hat sie sich damit in der (west)deutschen Nachkriegsordnung in vielerlei Hinsicht „zwischen alle Stühle gesetzt“. Ihr sind von maßgebender Seite Empörung und Hass entgegen geschlagen, weil sie Ursachen und Zusammenhänge der Faschismus-Entartung in Deutschland und Europa aufgedeckt hat. 
Zugleich ist Fakt: so mancher linker Intellektueller konnte und kann H. A. nicht verzeihen, dass sie Vertretern ihres eigenen jüdischen Volkes Versagen vorgeworfen hat und, dass sie Faschismus einerseits und Stalinismus andererseits in wichtigen Punkten auf eine Stufe stellte. 

Man kann nicht behaupten, dass H. A. etwa allgemein gültige Antworten formuliert hätte. Sie hat auch kein umfassendes philosophisches Systemgebäude entwickelt, das geeignet wäre, Probleme der Zukunft zu lösen. Sie warf vielmehr mit unbestechlichem Scharfblick Fragen auf, stellte Nachfragen und fand Teilantworten, die unerbittlich den Weg zu totaler Herrschaft in Europa und zu den grausigen Katastrophen des Jahrhunderts entlarvt haben. 

Aus der Fülle der von ihr streitbar und umstritten erörterten Problemkomplexe sind es aus meiner Sicht vor allem drei, zu denen H. A. uns ihre schonungslosen Wertungen und Schlüsse aufgetragen hat, denen wir uns auch aus aktueller Sicht stellen sollten:

  • zum Begriff und Inhalt der Politik, zur Erosion, zur Krise des Politischen;
  • zu den Wurzeln und Strukturen totalitärer Macht und Herrschaft sowie
  • zur „Banalität des Bösen“.



Vom „Sinn des Politischen“


Die von ihr in den 1950er Jahren geplante „Einführung in die Politik“, mit der sie die durchlittenen Erfahrungen aufarbeiten wollte,  hat H. A. nie als geschlossenes Werk vollendet. Sie, diese Einführung in die Politik, ist nur in Fragmenten und Nachlass-Veröffentlichungen zugänglich. Siehe insbesondere: „Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlass 1950 – 1959“, München 1993 sowie ihre an verschiedenen Stellen formulierten Überlegungen zu „Wahrheit und Politik“.
Angesichts der durchlebten Schrecken des Faschismus, der Judenvernichtung, des Völkermordes im Zweiten Weltkrieg konstatierte H. A. die generelle Krise, die Erosion des Politischen. Sie warf mit intellektueller Schärfe die Frage auf „Hat Politik überhaupt noch einen Sinn?“ Die abgelaufenen Ereignisse, die durchlebten Schrecken, die Millionen Opfer und die Ohnmacht der Politiker hätten für sie und die Völker den Sinn von Politik insgesamt in Frage gestellt. 

Sie führte ihre Überlegungen über einen „Begriff des Politischen“, generell über den „Sinn von Politik“ im 20. Jahrhundert, zurück auf die Maßstäbe der Antike, auf die griechische Philosophie, auf die griechische Polis, auf Demokratie und Freiheit. Unmenschliche Gewalt, das staatliche Gewaltmonopol, unbegrenzte Macht und Herrschaftsausübung, wie sie im „Nationalsozialismus“ zum Tragen gekommen sind, haben nichts gemein mit Humanität, Menschenrechten und menschlicher Politik. Die kurz und knapp formulierte Gegenposition von H. A. lautet:

„Der Sinn des Politischen … ist, dass Menschen in Freiheit, jenseits von Gewalt, Zwang und Herrschaft, miteinander verkehren, Gleiche mit Gleichen.“

Mit Bezug auf das Erlittene brachte sie vor allem ihre tiefe Skepsis, ihre grundlegenden Zweifel gegenüber Gewalt und Gewaltanwendung in der Politik zum Ausdruck. Siehe hierzu vor allem: „Macht und Gewalt“, 1970. Menschlichkeit, Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Freundschaft und Hilfsbereitschaft könne es nur jenseits von Gewalt und Gewalteinsatz geben.

Diese Erkenntnisse kann man nicht einfach rückwärts bezogen abtun. Sie sind keinesfalls nostalgisch oder antiquiert. Im Gegenteil, sie sind – wie jedermann sehen kann – brandaktuell! Angesichts unbegrenzter Kapitalherrschaft, zunehmender Gegensätzlichkeiten zwischen Arm und Reich und Krisen wachsen in immer breiteren Kreisen der Bevölkerung der westlichen Welt Politikverdrossenheit, Rückzug ins Private und Gleichgültigkeit. Auf der anderen Seite wachsen Empörung, Wut und Extremismus. Und damit wird erneut die Gefahr des Übergangs zum Totalitarismus, zu totalen Herrschaftsformen heraufbeschworen. 


Entlarvung des Totalitarismus


1951 erschien von H. A. in den USA „The Origins of Totalitarism“, New York 1951; 
in deutsch: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus“, F. a. M., 1955. 
Hier benennt die jüdisch-deutsch-amerikanische Theoretikerin den Totalitarismus des 
20. Jahrhunderts „als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht“. Sie deckt den Weg zu totaler Herrschaft, deren Wurzeln und Strukturen auf. Antisemitismus, Verfall von Nationalstaatlichkeit, Rassismus und Expansion – das sind die Elemente des Totalitarismus. H. A. beweist, wie der „voll entfaltete Imperialismus“ totalitäre Herrschaft hervorbringt – mit allen seinen Formen von Unterdrückung, Gewaltherrschaft und Kriegen.
Und sie zieht den ernüchternden Schluss, dass mit der Zerschlagung des Faschismus und dem Untergang des Nazistaates 1945 keineswegs ein für alle Mal die Gefahr des erneuten Aufkommens totaler Herrschaftsformen gebannt ist.

Die zurückliegenden Jahrzehnte beweisen, dass die Schlüsse von H. A. über die Gefahr des Wiederauflebens faschistischen Gedankenguts, von extremistischer Gewalt und totalitärer Herrschaftsformen keine intellektuellen Hirngespinste waren. Zugleich ist es unerlässlich, die von H. A. zu ihrer Zeit aufgeworfenen Fragestellungen und ihre scharfen Einschätzungen jetzt, Jahrzehnte später, in den veränderten historischen Zusammenhang zu stellen: 

Nach dem Zusammenbruch des immerhin über sieben Jahrzehnte real existierenden Sozialismus in der Sowjetunion und dann auch in Osteuropa herrscht nunmehr seit mehr als zwanzig Jahren der „voll entfaltete Imperialismus“ ökonomisch, politisch und militärisch wieder weltweit unbegrenzter als je zuvor. Auf der einen Seite erschüttern Dauerkrisen die Finanzen und die Wirtschaft der Monopol-Kapital-Gesellschaft mit den USA an der Spitze. Auf der anderen Seite wachsen Armut und Ausbeutung, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit sowie militärische Expansion – unter der fragwürdigen Losung des „Kampfes gegen den Terrorismus“. Damit wird das Wiederaufkommen neonazistischen Gedankenguts und neofaschistischer Bestrebungen zum Erhalt der Macht der Kapitalordnung befördert. 

Nach dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als zwanzig Jahren mehren sich die Anzeichen dafür, dass  die traditionellen humanistischen Werte, dass Liberalismus und tradierte bürgerlich-demokratische Strukturen wiederum machtlos werden können gegenüber erneuten neofaschistischen Entwicklungen und dem Wiederaufleben von Totalitarismus. Im Nahen Osten, in Afrika und in anderen Teilen der Welt leiden Hunderttausende unter Terror, Krieg und Gewalt. Und es ist kein Ende der Gewaltspiralen abzusehen.


H. A. zur „Ähnlichkeit“ von NS-Herrschaft und Stalinismus 


Für viele linke Intellektuelle, die in den Zeiten des Kalten Krieges große Hoffnungen auf die Etablierung einer neuen, sozialistischen Gesellschaft in der Sowjetunion und dann nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Osteuropa gesetzt hatten, waren die Thesen von H. A. über strukturelle Gleichheiten von NS-Herrschaft auf der einen und „Stalinismus“ auf der anderen Seite verstörend. Arendt hatte (insbesondere  auch angeregt durch die diesbezüglichen Überlegungen ihres Ehemanns Heinrich Blücher) gnadenlos auf zu Tage getretene Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten totalitärer Herrschaftsformen in Hitler-Deutschland 1933 bis 1945 und dem Regime unter Stalin in der Sowjetunion von 1929 bis 1953 hingewiesen. 
Indem sie darin „Variationen des gleichen Modells“ sah, hat sie in schweren Zeiten zur Desillusionierung vieler ehrlicher Sozialisten und Kommunisten beigetragen. Die Aufdeckung des seit Mitte der 1930er Jahre in der Sowjetunion herrschenden Stalinistischen Terrors, insbesondere der Moskauer „Trotzkisten“-Prozesse, in den 1950er Jahren hat die u. a. auch von H. A. ausgesprochenen entlarvenden Einschätzungen und gleichsetzenden Wertungen mit Formen der totalitären Herrschaft des NS-Regimes in Vielem bestätigt. 
Und es ist ja schließlich unbestreitbar: die Nachwirkungen der Entartungen unter J. W. Stalin haben letztendlich nicht unerheblich dazu beigetragen, dass Ende der 1980er Jahren das realsozialistische System - erst einmal - insgesamt historisch gescheitert ist. Das wollen offensichtlich auch manche DDR-Nostalgiker nicht wahr haben, weshalb Einschätzungen und Wertungen von H. A. einfach übergangen werden.

H. A. selbst war jedoch beim Benennen von Ähnlichkeiten und Gleichartigkeiten von NS-Regime und Stalinismus auch nicht gefeit vor Fehlschlüssen und Einseitigkeiten in der Betrachtung von Formen und Strukturen. Sie war nicht gefeit vor Vereinfachungen und Übertreibungen. Es ist ihr zu Recht vorgeworfen worden, dass der real existierende Sozialismus nicht auf „Stalinismus“ begrenzt werden kann. Der Realsozialismus – das war etwas anderes als die Diktatur eines Einzelherrschers im Auftrag von Millionären und Milliardären oder GULAG. Das war erstmals der historische Versuch, tatsächlich und auf Dauer mit der überkommenen Kapitalherrschaft zu brechen. Das war der Versuch, endlich den sich bis dahin immer nur neu auf immer höherer Stufe wiederholenden Kreislauf von Kapitalgewalt, Ausbeutung, Krisen und Kriegen zu durchbrechen und schrittweise weltweit eine gerechtere Ordnung zu errichten.
Der Realsozialismus hat grundlegende Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen begründet sowie tiefgreifende soziale und kulturelle Verbesserungen für breite Schichten des Volkes eingeleitet. Er hat wirksam zur Unterstützung des Befreiungskampfes unterdrückter Völker beigetragen.

Der real existierende Sozialismus konnte sich aber 1989/1990 nicht gegen den Ansturm der Monopol-Kapital-Gesellschaft behaupten. Er ist unter dem Druck von außen – wenn man so sagen will – ohne offene Gewaltexzesse im Innern zusammengebrochen. Die Regierenden in den realsozialistischen Ländern hatten keine Konzepte, wie dem Druck von außen und dem Zerfall im Inneren wirksam hätte begegnet werden können. In den sog. „Wendezeiten“ konnten nicht die damals bestehenden Chancen genutzt werden, dem „voll entfalteten Imperialismus“ größere Zugeständnisse zum Erhalt bereits etablierter Errungenschaften zu Gunsten der Bevölkerung und dauerhafter Friedenssicherung abzutrotzen. 
Das historische Scheitern, der Untergang des sozialistischen Weltsystems führte dazu, dass - erst einmal - die alte, auf Ausübung von politischer, ökonomischer und militärischer Gewalt beruhende Monopol-Ordnung wieder weltweit unbegrenzt herrscht. 

Hier schließt sich auf gespenstische Weise der Kreis zu den Befürchtungen von H. A. über die Gefahr des Wiederauflebens totalitären Gedankenguts und totalitärer Herrschaft. Sorgenvoll drängt sich die Frage auf, ob denn tatsächlich schon vergessen ist, wie es 1933 zur faschistischen Machtübernahme gekommen ist! Wie es dazu kommen konnte, dass der gewaltbereite Extremismus der Faschisten in kurzer Zeit so viele Mitläufer aktivieren konnte, die zu willfährigen Tätern mutiert sind? Ob denn die Völker nichts gelernt haben aus dem seinerzeitigen grauenvollen Siegeszug von Gewalt, totalitärer Herrschaft und Faschismus? 
H. A. hat seinerzeit zu recht entschieden auch das Versagen, die Kapitulation vieler Intellektueller vor dem NS-Regime kritisiert.

Um es auf den Punkt zu bringen: Angesichts der aktuellen Entwicklungen erübrigt es sich zu fragen, ob uns denn Hannah Arendt und der Streit um sie heute „noch was zu sagen“ haben. 
Zugleich muss in diesem Zusammenhang aber mit Bezug auf bestimmte aktuelle zeithistorische Forschungen, die sich auf H. A. berufen, gewarnt werden vor Einseitigkeiten und nicht haltbaren Unterstellungen. Es läuft auf eine willkürliche Verkürzung hinaus, wenn mancherorts ausdrücklich unter Berufung auf H. A. (!) die „SED-Herrschaft“ in der DDR generell gleichgesetzt werden soll mit der NS-Diktatur unter A. Hitler. 
So sehr man sich auch vordergründig darum bemüht – an die historische Wahrheit ist schwerlich näher heran zu kommen, wenn einfach pauschal die „Gleichsetzung dieser zwei deutschen Diktaturen“ behauptet wird. Auch und gerade, weil inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte vergangen sind seit dem Untergang der DDR, sind solcherart „Behauptungen“ entschieden zurückzuweisen.  

Es kann nicht einfach abgestritten werden: In einzelnen Formen und Strukturen gab es bestimmte Ähnlichkeiten des SED-Staates zum Nazi-Regime. Aber im Ansatz und im Grundlegenden war der Aufbau der real-sozialistischen Gesellschaft im Osten Deutschlands ja gerade die Alternative zum auf Gewalt und Krieg ausgerichteten NS-Regime mit Millionen Toten. Es ging darum, ein für alle mal Lehren aus der Geschichte zu ziehen und tatsächlich Schritt für Schritt eine gerechtere Gesellschaft zu errichten. Und dabei ist in vier Jahrzehnten DDR Wesentliches erreicht worden. Aber dabei sind zugleich auch viele Fehler gemacht, Entartungen zugelassen worden. Beharrlich erarbeitete bedeutende reale Errungenschaften zu Gunsten des Volkes sind 1989/1990 verspielt worden, untergegangen. 


Banalität des Bösen


Die These von der „Banalität des Bösen“ –  das war einer der Schlüsse, die H. A.  aus dem Eichmann-Prozess in Jerusalem formuliert hat. Siehe: „Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil“, New York, 1963; in deutsch: München, 1964. 
Das Erscheinen dieses Berichts hat damals weltweit Aufsehen sowie auch Entrüstung und anhaltende harsche Proteste ausgelöst. 

H. A., die wie so viele andere des jüdischen Volkes persönlich existentiell durch die faschistische Diktatur gedemütigt, verfolgt und vertrieben worden ist, hat beim Verfolgen des Prozesses gegen einen der Hauptverantwortlichen des Mordes am jüdischen Volk noch einmal die ganzen Schrecknisse des vom Faschismus verübten Völkermordes durchlebt. In ihrer Reportage über den Eichmann-Prozess dokumentierte sie minutiös die Abläufe und Hintergründe des Judenmordes. Ihr ist erschreckend bewusst geworden, dass diese grauenhaften Taten in Vielem „nicht von Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen“ wurden, sondern durch von ideologischem Hass getriebene faschistische Fanatiker eines perfekt durchorganisierten bürokratischen Systems. Da waren auch Schreibtisch-Täter zu Werke, die ihnen erteilte „Befehle von oben“ penibel abgearbeitet, die sich einfach auf ihre „Pflicht zur Befehlsauführung“ berufen haben. Und niemand ist diesen Mörderhorden wirksam in den Arm gefallen! Niemand hat dieses gigantische Räderwerk aufgehalten. Auch das vor allem, die Gleichgültigkeit der Deutschen, das Versagen auch der Intellektuellen, gegenüber schlimmsten Verbrechen an der Menschheit hat sie tief erschüttert.

H. A. schreckte in diesem Zusammenhang auch nicht davor zurück, das Verhalten von Vertretern ihres jüdischen Volkes, der sog. „Judenräte“, zu kritisieren. Diese hätten faktisch bei der Vernichtung des eigenen Volkes mitgewirkt, als Werkzeuge der Faschisten Schuld auf sich geladen. Und sie wendete sich auch gegen die Ignoranz zionistischer Führer gegenüber den Problemen der Araber. Das wiederum ist ihr als „Verrat am jüdischen Volk“ vorgeworfen worden. 
* * *
Die kritische Abrechnung mit den Akteuren faschistischer Ausrottungspolitik, mit denen, die da einfach mitgemacht haben, die Auseinandersetzung mit denen, die diese Verbrechen geduldet, dazu geschwiegen haben, die nicht dagegen aufbegehrt haben – das ist das Erbe, das H. A. uns Heutigen als Verpflichtung auferlegt hat. 
Aus den Abläufen der Geschichte sind Lehren zu ziehen für die schonungslose Aufdeckung der Gefahren, die sich aus dem Wiederaufleben rechtsextremistischen Gedankenguts und neonazistischer Aktivitäten ableiten. Immer wieder neu müssen wir uns fragen, ob wir genügend tun zur Abwendung von Fehlentwicklungen, zur Zurückdrängung zunehmender Ungerechtigkeiten und Benachteiligung für bestimmte Gruppen der Bevölkerung, von Ausbeutung, Fremdenhass, Gewaltanwendung und Kriegen. 
Wir dürfen nicht zulassen, dass aus der Verschärfung der Krisenentwicklungen der Kapitalordnung erneut die Gefahr des Wiederauflebens totaler Herrschaftsformen heraufzieht.

März 2013